Ausstellung "Lütt Matten und die weiße Muschel / Schätze der Kinderbuchliteratur der DDR" in Sassnitz
Die Ausstellung im Pavillon zeigt über 1.200 Original-DDR-Kinderbücher und -Schallplatten. Mit der Ausstellung möchte ich einen Beitrag zur Kulturbereicherung leisten. Kultur ist zu allen Zeiten so wichtig, um Zukunftsperspektiven für alle Kultur- und Gesellschaftsschichten zu öffnen. Die Ausstellung soll als eine Begegnungsstätte ganz besonders für Familien mit Kindern begriffen werden. Mit dieser Ausstellung setze ich ein Herzensprojekt um.
Den Ausstellungsort habe ich bewusst gewählt, da ich mit der Stadt Sassnitz wunderbare Kindheitserinnerungen verbinde. Als 5jähriger bekam ich „Lütt Matten und die weiße Muschel“ von meinem Vater geschenkt. Das Buch passt so gut zur Insel und zu meinen Erinnerungen, da mein Vater Fischer war.
Ich steuere zur Ausstellung neben den gesamten Büchern noch einige Collagen und Bilder bei. Diese Gedanken-Bilder sollen meinerseits den Kindern zeigen, wozu Bücher fähig sind und wie frühere Autoren mit Geschichten aus der DDR-Zeit inspiriert wurden. DDR-Kinderbücher sind längst Klassiker:
Kramen Sie einmal in Ihrem Gedächtnis. Na – kommt er Ihnen auch noch bekannt vor, der kleine Matten auf dem Buchcover? Noch heute berührt es Kinder und auch Erwachsene, wie der Kleine mit seiner selbstgebauten, wohl wirklich mickrigen Reuse Fische fangen will und es einfach nicht klappt. Die Geschichten und Bilder unserer Kindheit verblassen zwar manchmal, ganz weg sind sie aber nie! Wer kennt sie nicht, die Geschichten vom „Bootsmann auf der Scholle“ oder „Der kleine Angsthase“? Die Kinderbücher regten die Phantasie der jungen Leserinnen und Leser an, schlugen oftmals die Brücke zwischen Text und imaginärer Bildwelt und bildeten so einen unverzichtbaren Bestandteil des Gesamtkunstwerkes „Kinderbuch“. Durch die farbenfrohen Bilder der Illustratoren wurden magische Landschaften zum Leben erweckt und machten Mut, ihnen in die Geschichte zu folgen.
Die Ausstellung widmet sich dem breiten Spektrum der Buchkunst von 1949 bis 1989, einer ganz besonderen Blütezeit der Illustrationskunst. Der von mir geschätzte, große, Illustrator Werner Klemke war wohl der bekannteste Illustrator unter ihnen. Viele seiner liebevoll gestalteten Kinderbücher wie „Hirsch Heinrich“ oder „Das Wolkenschaf“ und viele andere wurden zu Klassikern. Die enorme Vielfalt seiner künstlerischen Ausdrucksweisen gepaart mit Witz und Ironie kennzeichneten nicht nur sein Bilderbuchschaffen, sondern auch seine Illustrationen. Kinderbücher hatten in der DDR einen sehr hohen Stellenwert, stellten sie doch ein hervorragendes Medium zur ideologischen Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen dar.
Sozialistischer Realismus:
In den fünfziger und sechziger Jahren galt in der Kinder- und Jugendliteratur, ebenso wie in allen Bereichen der Kunst, ausnahmslos die Parole vom „sozialistischen Realismus“. Es herrschte kein Mangel an Kinderbüchern. Allein im Kinderbuchverlag Berlin erschienen von 1949 bis 1989 knapp 5.000 Titel mit einer Gesamtauflage von etwa 300 Millionen Exemplaren. Qualitativ mussten die Bücher keinen internationalen Vergleich scheuen. Ein Großteil war weit über die Grenzen der DDR bekannt und beliebt. Die SED untermauerte die demokratische Erziehung ganz praktisch – allein dem Kinderbuchverlag standen in den fünfziger Jahren 628 Tonnen Papier zur Verfügung, während für die gesamte Erwachsenenliteratur lediglich 3.000 Tonnen bereitgestellt wurden. Exemplarisch stehen dafür u.a. Erwin Strittmatters „Tinko“ und ganz besonders die Romane sowjetischer Autoren, wie z.B. „Timur und sein Trupp“, die jedes Schulkind in der DDR lesen musste und die davon handeln, wie Kinder und Jugendliche ihren „Beitrag beim Aufbau des Sozialismus leisten können.“
Phantasie statt Dogmatismus:
Ende der sechziger Jahre vollzog sich ein Wandel, der Optimus der Aufbaujahre war verbraucht, die Autoren sprengten die engen Grenzen des „sozialistischen Realismus“. Eine glückliche Kindheit schien nur dann möglich zu sein, wenn sich grundlegende Veränderungen in der Gesellschaft vollziehen, ein Gegenentwurf zur bedrohlich erscheinenden Welt der Erwachsenen. Kindern ihre Kindlichkeit möglichst lange bewahren: Die Dichter und Autoren hatten über all die Jahre hin stets einen eigenen Anreiz, für Kinder zu schreiben. Die Mehrzahl der etwa 250 Autoren, die in den achtziger Jahren ausschließlich für Kinder schrieben, mussten sich nicht verstecken: Benno Pludra, Elizabeth Shaw, Liselotte Welskopf-Henrich, Gerhard Holtz-Baumert, Christa Kozik. Und auch die Qualifikation der maßgeblichen Illustratoren, wie Volker Pfüller, Egbert Herfurth, Werner Klemke oder Klaus Ensikat waren über jeden Zweifel erhaben. Pädagogisch gesagt: In einer Umgebung, die mit verbissener Geduld dabei ist, Kinder ab spätestens acht Jahren erwachsen zu machen, versuchen Dichter, die für Kinder schreiben, diesen ihre Kindlichkeit möglichst lange zu bewahren.Wie lange? Ideal wäre: bis zum siebzigsten Lebensjahr. Einstein hat in diesem Alter dem Universum die Zunge herausgestreckt.
Mehr Einfachheit und weniger Klimbim wagen:
Es ist rührend zu sehen, wie sich die Schriftsteller und Illustratoren uneingeschränkt auf die kindliche Welt einlassen und sich Mühe geben, mit tiefem Verständnis und grenzenloser Zuneigung sie für das Publikum zeitlos zu gestalten. Davon wünsche ich mir manchmal mehr in unserer Zeit. Viel Spaß und Freude hier im Pavillon, die Erinnerungen, die vielleicht wach werden, sind unbezahlbar! Die Ausstellung im Pavillon am Molenfuß findet vom 08.06. bis 14.06.2022 statt und vom 16.06. bis 22.06.2022 wird die Ausstellung in der Stadtbibliothek Sassnitz weiter präsentiert.
Der Eintritt ist kostenfrei!